Barrierefreiheit im Web: Die Zielgruppen

Warum eine barrierefreie Website Ihre Reichweite erweitern kann
Barrierefreiheit
Strategie
30
Nov. 2022

13 Millionen Menschen leben in Deutschland mit irgendeiner Form einer Beeinträchtigung. Davon gelten 7,8 Millionen als schwerbehindert. Unsere Gesellschaft ist immer mehr daran interessiert, den Sozialraum barrierefrei zu gestalten und Informationen für alle Menschen zugänglich zu machen. Doch gerade im Internet schlummern Barrieren, die den Weg zu wertvollen Informationen sperren.

 Für die Zielgruppen der digitalen Barrierefreiheit entstehen Sackgassen, die häufig zu einem kompletten Ausschluss von der entsprechenden Anwendung oder Information führen. Grund dafür ist, dass bei der Planung einer Website die Zielgruppen für barrierefreie Webseiten meist nicht berücksichtigt werden.  

Jede:r wird lang- oder auch kurzfristig von Barrieren im Netz betroffen sein, sei es im Alter oder aufgrund eines gebrochenen Arms. Im Folgenden werden sieben Einschränkungen vorgestellt, die Betroffene abhängig machen von barrierefreien Webseiten. 

Altersbedingte Einschränkungen

20% der Gesamtbevölkerung in Deutschland sind Senior:innen, die einzeln betrachtet die größte Zielgruppe bilden. Im Alter schwindet die Konzentrationsfähigkeit, die Sehkraft nimmt ab und die Feinmotorik verschlechtert sich.  

Auf Grund der schlechten Feinmotorik kann beispielsweise der Cursor mit einer Maus nicht richtig bedient werden, was die Navigation auf Websites erschwert. Zahlen oder Buchstaben sind oft zu klein und können von Nutzer:innen nur bedingt entziffert werden. Hinzu kommt, dass hilfreiche Tools, wie zum Beispiel das Zoom-Tool im Browser auf Grund mangelnden Wissens nicht genutzt werden. 

Blindheit & starke Sehbehinderung

Technikaffin hingegen sind Blinde oder Menschen mit starken Sehbehinderungen, die auf moderne Technologien setzen. Als sehbehindert gilt eine Person erst ab einer Sehstärke von unter 30 Prozent. Unter 10 Prozent gilt man als wesentlich sehbehindert, unterhalb von 5 Prozent als hochgradig sehbehindert und bei weniger als 2 Prozent als blind. 

Um Informationen von Websites zu erhalten, verwendet die Zielgruppe barrierefreie Screenreader. Diese übersetzen Informationen auf dem Bildschirm in Sprache. Der Screenreader stellt Informationen über eine Sprachausgabe in synthetischer Sprache oder über die Braillezeile in Blindenpunktschrift dar.  

Eine häufige Barriere für diese Zielgruppe sind beispielsweise Registrierungen, bei denen eine Authentifizierung in Form eines Captcha erforderlich ist. Die Abfrage eines verzerrten Codeworts, welches Mensch von Maschine unterscheidet, erkennt der assistierende Screenreader nicht.  

Verschiedene Anbieter verwenden zusätzlich akustische Captchas, um die Zugänglichkeit zu erhöhen. Unglücklicherweise werden damit taubstumme Menschen ausgeschlossen.. 

 

Sehschwächen und Farbenblindheit

In Deutschland leben ca. 500.000 sehbehinderte Menschen. Eine hochgradige Sehbehinderung liegt vor, wenn jemand trotz Brille 5 Prozent Sehstärke oder weniger besitzt. Zu den häufigsten Sehbehinderungen gehören u. a. der grüne und der graue Star. Der graue Star ist eine Augenerkrankung, bei der die Augenlinsen trübe werden. Folglich lässt das Sehvermögen nach und Details können nicht mehr klargesehen werden. Je nach Grad der Krankheit sehen Betroffene zunehmend verschwommen, als würden sie durch einen Nebel blicken. 

Etwa 9% aller Männer sind von einer Rot-Grün-Sehschwäche betroffen, Rot und Grün werden als grau interpretiert. Die Rot-Grün-Schwäche ist eine Farbsinnstörung, bei der Betroffene Rot und Grün schlechter wahrnehmen als Normalsichtige. Online wäre beispielsweise ein roter oder grüner Button ein Hindernis da dieser vermeintlich wichtige Button nicht als solcher wahrgenommen wird. Wichtige Informationen wie zum Beispiel Fehlermeldungen sollten daher nicht nur durch die Farbe gekennzeichnet werden. 

Motorische Einschränkungen

Als motorische Behinderungen werden alle Einschränkungen der körperlichen Bewegungsfähigkeit zusammengefasst. Die Gründe für eine motorische Beeinträchtigung sind vielfältig: Sei es eine Sehnenscheidenentzündung an der Hand oder eine chronische Krankheit, wie zum Beispiel Rheuma, Parkinson oder Multiple Sklerose.  

Auf Grund ihrer eingeschränkten Motorik sind Betroffene auf eine einfache Tastaturnutzung angewiesen. Außerdem sind dynamische Elemente wie ein Dropdown-Element überfordernd für die Nutzer:innen und tendenziell schwierig zu bedienen. 

Gehörlosigkeit & Schwerhörigkeit

Mit Fokus auf schwerhörige und taube Menschen wird klar, dass alle audiovisuelle Medien individuelle Barrieren darstellen. Multimediale Inhalte wie Videos und Audio-Content können ohne Untertitel oder Transkripte von den Nutzer:innen nicht erfasst werden. Es gibt zwei Arten von Untertiteln: Klassische Untertitel übersetzen in einem Film das Gesprochene. Untertitel für Gehörlose enthalten zusätzlich Übersetzungen für akustische Informationen, die dem Gehörlosen ansonsten entgehen würde. 

Insgesamt können auch Nutzer:innen profitieren, die ein funktionierendes Gehör haben. Etwa bei einer Aufzeichnung mit starken Nebengeräuschen, einem undeutlichen Sprecher oder für Menschen, die die Sprache erst lernen, ist es vorteilhaft, das Gesprochene parallel mitzulesen. Aber auch Menschen mit Lernschwierigkeiten profitieren stark, da sie Informationen mit einem Untertitel besser auffassen können. 

Lernschwierigkeiten & Analphabetismus

Lernschwierigkeiten oder -beeinträchtigungen können die Auffassung, die Denkfunktionen, die Sprache, die sozialen Fähigkeiten, aber auch die motorische Entwicklung betreffen. Zu der Zielgruppe gehören zum Beispiel Menschen mit Down-Syndrom. Beeinträchtigungen treten häufig in der Sprachentwicklung, in der Motorik und in der geistigen Entwicklung, wie z.B. im Gedächtnis auf. Wichtig ist hier das Verwenden von „Leichter Sprache“ und das barrierefreie Aufbereiten von Informationen in einer zielgruppenorientierten, verständlichen Form.  

Dies gilt für Analphabeten oder Menschen mit starker Leseschwäche – rund 6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland im Alter von 18 bis 64 Jahren können nicht richtig lesen und schreiben. Für viele ist Schrift wie eine Fremdsprache, sodass ihnen alltägliche Aufgaben, wie zum Beispiel das Lesen von Mails schwerfällt. Wird eine leichte Sprache verwendet, können die Informationen tendenziell einfacher aufgefasst werden. No-Gos sind unleserliche Schriften, wie zum Beispiel Schreib- und Schmuckschriften: 

Epilepsie

Epilepsie gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen in Deutschland. Am bekanntesten ist der epileptische Anfall. Der Betroffene verkrampft sich, wobei die Verkrampfung in Zuckungen übergeht und zu Atemnot führen kann.  

Epileptiker:innen können im Web durch schnelle Animationen und Bewegungen oder blinkende, bzw. blitzende Elemente negativ angesprochen werden, was schlimmstenfalls zu einem epileptischen Anfall führen kann. 

Nutzerhinweis: Das folgende Video kann bei Epileptiker:innen einen Anfall auslösen! 

Fazit

Viele Menschen profitieren von barrierefreien Websites. Werden die Zielgruppen in der Planung von zukünftigen und bestehenden Websites berücksichtigt, können die Inhalte von mehr Nutzer:innen konsumiert werden, sodass eine größere Reichweite erreicht werden kann. Und das Wichtigste: Alle Menschen können am öffentlichen und digitalen Leben teilnehmen. Die Idealvorstellung ist ein barrierefreies Internet, doch bis dahin ist es ein langer Weg. Umso wichtiger ist es das Thema Barrierefreiheit als Priorität anzusehen und mehr in den Fokus zu rücken. Der rechtliche Rahmen für einen barrierefreien Zugang im Netz wurde bereits geschaffen. Die WCAG und BITV-Anforderungen sind bald für mehr Anbieter verpflichtend. Mehr zu den Richtlinien erfahren Sie in unserem Blogbeitrag.   

Autor:in

Mae

UX